Bauch spricht “Nein”
… und Mund sagt “ja”
Anne ist verzweifelt. Ihr Chef hat sie zu sich bestellt…
Was hat sie bloß falsch gemacht…
Bauch spricht "Nein"
„Oh mein Gott“, Anne ist verzweifelt. „Was ist hier nur passiert?“ Sie sitzt vor dem Zimmer ihres Chefs. Er hat sie zu sich bestellt. Irgendwas ist in der Besprechung vor einer Stunde schief gelaufen, aber was?
Anne geht in Gedanken den Termin immer und immer wieder durch. Sie saßen zu fünft rund um den dunkelbraunen Eichenholz-Tisch um das Konzept des Kunden-Newsletters komplett zu überarbeiten. Die Analysen zeigten, dass die Newsletter von den Kunden kaum mehr gelesen werden, daher hatte die Marketing-Chefin alle Verantwortlichen zusammengeholt. Anne war nicht klar, was sie hier beitragen sollte, immerhin ist sie im Controlling tätig. Aber vielleicht war genau das der Grund, vielleicht würde man weitere Auswertungen benötigen und sie könnte hier ihre Excel-Kenntnisse zur Verfügung stellen.
Doch gleich nach der Begrüßung platzte quasi die Bombe, als die Marketing-Chefin sagte: „Alle unsere Ideen und Vorschläge die jetzt besprochen werden wird uns Anne in einem Protokoll zusammenfassen“. Sie hörte ein innerliches lautes “NEIN” – doch zu ihrem Entsetzen kam ein „JA“ aus ihrem Mund. Dann ist ihre Kehle wie zugeschnürt. Sie ist außer sich. Sie wurde einfach zum protokollieren verdonnert. An sich ja kein Problem, wenn die Marketing-Chefin vorher mit ihr gesprochen hätte. Aber sie so vor den Kopf zu stoßen, vor all den anderen? Was hätte sie den tun können außer „ja“ zu sagen? Widerwillig nimmt sie den Stift und ihr Notizbuch zur Hand und versucht alle Vorschläge zu notieren. Immer wieder ertappt sie sich dabei in die Runde zu sehen. Es scheint für alle in Ordnung zu sein, niemand machte auch nur die geringsten Anstalten ihr zu helfen.
Endlich, nach einer halben Stunde ist das Brainstorming vorbei und Anne verlässt als erste den Raum, sie wollte jetzt wirklich mit niemanden sprechen. Doch die Marketing-Chefin ist schnell hinter ihr und wirft ihr an den Kopf „Fall mir nie wieder in den Rücken“. Bumms, das hat gesessen. Erst wird sie zum Protokoll schreiben verdonnert und dann das. Sie versteht die Welt gerade nicht mehr. Sie hat doch eh „ja“ gesagt, und sie hat doch auch alles notiert. Und jetzt will sie ihr Chef sprechen. Die Marketing-Chefin ist scheinbar auf direktem Wege zu ihrem Chef marschiert.
Und da öffnet sich auch schon die Tür zum Büro ihres Chefs. Anne schluckt, die Marketing-Chefin sitzt auch hier. Anne schätzt ihren Chef sehr, doch heute ist sie sich nicht sicher, wie er reagiert. Und vor allem, wie sie hier reagieren sollte. Sie fühlt sich wie vor Gericht, angeklagt und vorverurteilt.
Ihr Chef fragt sie nach ihrer Sicht der Dinge. Anne wagt kaum zu sprechen. Vorsichtig setzt sie zum ersten Satz an, als die Marketing-Chefin einen Redeschwall loslässt. Sofort wird diese von ihrem Chef unterbrochen, denn er möchte jetzt gerne Annes Sicht erfahren.
Zunächst beginnt Anne sehr zaghaft zu sprechen, wird aber zunehmend fester in der Stimme und endet mit den Worten: „ich habe ja eh das Protokoll geschrieben“. Jetzt bemerkt ihr Chef etwas sehr Interessantes an Anne. Ihre Worte waren zustimmend, doch ihr Tonfall und ihre Körpersprache zeigten genau das Gegenteil. Aus diesem Grund ist nicht die Botschaft „ja“, sondern ein klares „nein“ bei der Marketing-Chefin angekommen. Da ihr Chef Anne schon sehr viele Jahre kennt, kann er sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Anne ist normalerweise sehr still, doch manchmal kann sie auch resolut reagieren.
Anne’s Chef ordnet sachlich die Anschuldigungen und bringt das Gespräch zu einem konstruktiven Ende. Er erklärt einerseits der Marketing-Chefin, dass Anne sicher gerne ein Protokoll schreibt, wenn sie vorher darüber informiert wird. Und zu Anne meint er, sie darf stolz auf sich sein, denn alle in der Firma wissen, dass sie extrem gewissenhaft ist. Was Anne nicht weiß, genau das war der Grund, weshalb die Marketing-Chefin sie darum gebeten hat. Sie weiß das Protokoll bei Anne in den besten Händen. Niemand sonst in der Firma protokolliert so treffend und gewissenhaft.
Und Anne, was hat sie daraus gelernt? Anne nimmt sich vor, bei kommenden ähnlichen Situationen zuerst tief durchzuatmen. Und auf jeden Fall schon vorher nachzufragen welche Aufgabe ihr bei der Besprechung zugedacht ist.
Anne ist glücklich, dass alle Vorwürfe und Anschuldigungen geklärt sind. Auf dem Weg zurück in ihr Büro, beginnt sie zu schmunzeln. Hat die Marketing-Chefin sie jetzt wirklich gelobt? Ihre Unruhe ist vollständig gewichen, was sie jetzt spürt ist (zumindest ein wenig) Stolz 😉
zum Weiter-Denken
Wie hättest du reagiert?
Worauf bist du stolz?