3 Tipps für Introvertierte…
… hat Bert recht?
In Annes Kopf überschlagen sich die Gedanken und sie sucht Ablenkung mit einer Zeitung. Ihr Blick bleibt bei dem Artikel “3 Tipps für Introvertierte” hängen…
"3 Tipps"
8 Uhr morgens, Anne sitzt am Küchentisch, vor ihr steht eine Tasse mit herrlich duftendem Kaffee. Annes Mann ist in der Arbeit, die Kinder in der Schule. Sie hat einen Moment für sich, bevor sie selbst zur Arbeit fährt. Ein paar Minuten um aufzutanken, bevor der Alltag startet. Doch schon jetzt, wo sie in Ruhe den Kaffee genießen will, melden sich die ersten Gedanken zur Firma: „Oh, heute mittags ist ja der Quartalsbericht abzuliefern. Hoffentlich geht sich das aus. Haben wir heute Teambesprechung?“ Und schlagartig ist Anne im Arbeitsmodus und innerlich starr vor Nervosität.
Sie versucht sich zu beruhigen, immerhin hat sie den Bericht ja schon fast fertig. Doch die quälenden Gedanken lassen sie nicht los. Sie schüttelt sich in der Hoffnung, dass dieses laute Gewirr in ihrem Kopf nachlässt. Doch nichts hat sich verändert, all die Gedanken sind immer noch da. Jetzt beginnt sie sich richtig über sich selbst zu ärgern. Diese paar Minuten der Stille und Kaffee wollte sie einfach nur genießen. Stattdessen sitzt sie da, völlig außer sich, total nervös und unausgeglichen. „Ich muss mich irgendwie ablenken, war da nicht noch eine Zeitung?“ Mit zittrigen Fingern greift sie zur Zeitung auf der anderen Seite des Tisches. Sie beginnt in der Zeitung zu blättern. Auf der zehnten Seite fällt ihr auf, dass sie keine Ahnung hat, was sie auf den letzten neun Seiten gesehen hat. „Konzentrier dich!“, murmelt sie zu sich selbst. Als plötzlich ihr Blick an einer Überschrift hängen bleibt „3 Tipps für Introvertierte – wie sie mehr Selbstvertrauen gewinnen“. „Na das klingt ja spannend, ob das funktioniert?“, hört sich Anne sagen. Neugierig beginnt sie den Artikel zu lesen. Sie merkt dabei gar nicht, wie die lauten Gedanken über die Firma plötzlich ganz still sind. Nach dem ersten Absatz macht sich bei Anne Enttäuschung breit. „Pah, die Stärken erkennen! Das kenn ich schon, das war ja vor kurzem die Aufgabe in einem Seminar.“ „Erfolgstagebuch! Na lustig, über was soll ich denn da schreiben? Dass ich den Müll rausgetragen habe? Das ist ja kein Erfolg.“ „Einen sicheren Hafen für mich finden! Das wird ja immer besser, Rückzugsorte gut und schön, nur wie kann das gelingen wenn mir die Gedanken immer wieder dazwischenfunken?“
Sie schlägt die Zeitung zu. Neues hat sie sich aus diesem Artikel nicht mitgenommen, aber immerhin sind die Gedanken an die Firma für eine kurze Zeit leiser geworden.
Sie trinkt den letzten Schluck ihres herrlich duftenden Kaffees, stellt die Tasse in den Geschirrspüler und geht ins Vorzimmer. Sie schlüpft in Jacke und Schuhe und begibt sich auf den Weg zur Firma. In ihrem Kopf wird es wieder zunehmend lauter. Es mischen sich die Gedanken an die bevorstehenden heutigen Aufgaben mit dem, was sie soeben in der Zeitung gelesen hatte.
Gleich beim Eingang in die Firma trifft sie Bert, einen ihrer Lieblingskollegen. Sie begrüßen einander und sogleich hört sich Anne sagen: „Stell dir vor, ich habe heute in der Zeitung einen Artikel mit Tipps für Introvertierte gelesen. Die haben sich für den Artikel sicher Mühe gegeben, aber für wirklich introvertierte Menschen ist der nicht geschrieben“. Bert sieht sie erstaunt an und fragt: „Was steht denn in dem Artikel?“ „Naja, lauter Sachen wie Stärken erkennen, Erfolgstagebuch schreiben und einen Rückzugsort finden, was soll das denn bringen?“, meint Anne. Bert runzelt die Stirn und fragt weiter: „Und was stand noch drin?“ „Keine Ahnung, ich habe nach dem ersten Absatz aufgehört zu lesen, das bringt mir ja doch nichts, von den Tipps werde ich auch nicht lauter.“, Anne klingt resigniert. Bert sieht sie verwirrt an und meint: „Das sind sehr gute Tipps, die bringen sehr viel, vielleicht solltest du den Artikel zu Ende lesen.“ Anne sieht Bert verdattert an: „Aber Bert, letztens beim Seminar habe ich mit deiner Hilfe meine Stärken aufgeschrieben, und, was hat sich verändert? Nichts.“ Bert lächelt: „Anne, das tolle an diesen Tipps ist, dass sie richtig gut wirken, wenn man sie regelmäßig durchführt.“ „Nimm dir jeden Tag ein paar Minuten Zeit, ergänze deine Stärken-Liste und überlege dir was du an diesem Tag Tolles gemacht hast, worauf du stolz bist.“ „Das können Kleinigkeiten sein, vieles von dem was du als selbstverständlich bezeichnest.“ Jetzt ist Anne verwirrt: „Und das bringt etwas?“ „Ja“, entgegnet Bert, „so habe ich auch angefangen“. „Ok, und was ist mit dem Rückzugsort?“, will Anne noch wissen. „Das ist ganz einfach, wir introvertierten Menschen brauchen immer wieder Augenblicke für uns, ganz allein, um wieder Energie zu tanken“, Bert lächelt während er weiterspricht, „nach so einem Tag voll mit Besprechungen, gehe ich gerne nach der Arbeit eine kleine Runde spazieren. „So lade ich meine Batterien wieder auf und bin fit für das Abendprogramm“, Bert zwinkert, „Du kennst ja meine beiden Jungs, da wird dann gespielt bis zum Schlafengehen“.
Während ihrem Gespräch haben Anne und Bert ihre Büros erreicht. Bevor Bert an seinen Arbeitsplatz geht, sagt er noch zu Anne: „Bitte Anne, versprich mir dass du es ausprobieren wirst!“ „Ich wünsche dir einen schönen Tag!“ Anne steht mit einem verwirrten Gesicht da und meint: „Ja, wenn du meinst probiere ich es vielleicht wirklich mal aus!“ Doch das hört Bert nicht mehr, denn gleich nachdem er die Bürotür geöffnet hat, wird er von seinem Team in Beschlag genommen.
Noch ein paar Schritte, dann ist sie an ihrem Arbeitsplatz. Kurz erlaubt sie sich noch zu grübeln: „Ob Bert recht hat? Vielleicht stimmt das wirklich!“, Anne lächelt als sie ihr Büro betritt und nimmt sich ganz fest vor am Abend den Artikel fertig zu lesen und ganz bestimmt heute ihren ersten Eintrag in ihr Erfolgstagebuch zu schreiben…
zum Weiter-Denken
Welchen sicheren Hafen hast du für dich?
Was schreibst du heute in dein Erfolgstagebuch?